Foto: Christian M. Weiss

Aktuelles // 19.09.2022

Fußkartographie – eine Kunst für sich

Deutschlands vermutlich einziger Fußkartograph Carsten Stark “liest” in seiner Münchner Praxis mithilfe einer Vielzahl an Infos sowie eines Scans die Füße seiner Klienten und gibt Tipps, wie sie ihre Schmerzen in den Griff bekommen. Im Interview gibt der ausgebildete Heilpraktiker Einblicke in seine Arbeit.

Herr Stark, wie wurden Sie Fußkartograph?
Ich hatte mit 30 Jahren schwere Rückenprobleme, die trotz verschiedenster Therapieversuche nicht weggingen und in einer Bandscheiben-OP mündeten. Mir war klar, dass sie nur die Symptomatik bekämpft hatte und nicht die Ursache. Eines Tages ging ich mit ganz neuen Schuhen Skifahren, die ich auf die Schnelle ausgeliehen hatte. Innerhalb von zwei Stunden musste ich die Tour abbrechen, weil ich Schmerzen in den Füßen bekam, die über die Knie den Rücken hochwanderten und  Nackenverspannungen sowie Kopfschmerzen auslösten. Zurück im Skigeschäft wurde ich auf einen Scanner gestellt. So kam heraus, dass ich einen Knickfuß hatte und Einlagen brauchte. Das war ein Aha-Erlebnis: Ich hatte mich so viel mit meinem Rücken beschäftig, aber nie mit meinen Füßen. In der Folge habe ich mich mit verschiedenen Formen der Fußbehandlung auseinandergesetzt und dabei festgestellt, dass immer nur Teilaspekte behandelt wurden, aber nie der Fuß in seiner Ganzheit. So kam ich auf die Idee, den Fuß-Scan lesen und interpretieren zu lernen wie eine Landkarte. Mittlerweile mache ich das seit 18 Jahren.

Mit welchen Beschwerden kommen die Menschen zu Ihnen?
Ausgangspunkt sind Fußprobleme wie Hallux valgus, das Morton-Neurom, Entzündungen im Großzehengrundgelenk oder Vorfußschmerzen, die zu Schmerzen in Knien, Hüfte, Wirbelsäule und Rücken führen. Ich bin meistens die letzte Anlaufstelle, nachdem sie schon alles mögliche probiert haben.

Wie läuft eine Behandlung ab?
Zunächst gibt es ein Erstgespräch von ca. 90 Minuten inklusive Fuß-Scan. Ich lasse den Klienten gehen und auf einem Bein stehen, beobachte die Körperhaltung, erkundige mich über Ernährung und psychische Verfassung, Arbeitsbelastung, Herkunft, Eltern und Großeltern. Ich begutachte Füße, Schuhwerk, Beweglichkeit und Koordination der Zehen über den Kopf und berücksichtige auch Aspekte wie Hautfarbe oder Venen. Daraus mache ich mir ein ganzheitliches Bild und biete darauf basierend individuelle Lösungen an.

Sie behandeln also nicht selbst?
Nein. Das hat viel mit Eigenverantwortung zu tun. Ich lehre meinen Klienten, wie sie sich selbst behandeln können. Wir praktizieren gemeinsam Übungen zur Entspannung, Beweglichkeit und Kräftigung, die sie dann zu Hause täglich absolvieren, mindestens vier bis sechs Wochen lang. Bei der nächsten Sitzung frage ich das ab und wir schauen, was sich verändert hat.

Wie viele Sitzungen umfasst Ihre Beratung insgesamt?
Um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken, sind in der Regel sechs Termine nötig. Der Körper, die Sehnen, die Bänder, die Gelenke, die Knorpel brauchen rund sechs bis neun Monate, um sich an eine andere Belastung anzupassen. Wenn wir etwas verbessern wollen, müssen wir etwas umstellen. Daran muss sich der Körper gewöhnen, damit keine Schäden oder andere Beschwerden entstehen.

Muss man für jeden Termin in Ihre Praxis in München kommen?
Nein. Während Corona habe ich einen neuen Service eingeführt, die FußTELEgraphie. Nach der ersten Sitzung, die immer in Präsenz stattfinden muss, können die weiteren Termine online erfolgen. So sind Klienten, die weiter weg wohnen, nicht mehr gezwungen anzureisen.

Wie hoch ist Ihre Erfolgsquote?
Meines Erachtens bei 100 %. Nicht, dass der Schmerz immer komplett weg wäre. Aber etwas verändert sich immer, und nie zum Negativen! Der Körper signalisiert durch weniger Schmerz und weniger Symptome, dass es besser ist, und zwar deutlich.

Arbeiten Sie auch mit Fußpflegern und Podologen zusammen?
Nein, aber ich werde von manchen empfohlen. Ich bin ja keine Konkurrenz, ich bin die Ergänzung. Podologen behandeln sichtbare Probleme wie Hühneraugen oder eingewachsene Zehennägel, während ich gegen Schmerzen vorgehe, die durch Fehlstellungen, falsches Schuhwerk, eine schwache Muskulatur oder schwaches Bindegewebe verursacht werden.

Spielt der ästhetische Aspekt eine untergeordnete Rolle bei Ihrer Arbeit?
Wenn man Füßen mehr Freiheit und Bewegung gibt und passendes Schuhwerk, dann gehen Druckstellen, Rötungen und Schwellungen zurück. Auch die Haut verändert sich, die Durchblutung wird besser. Dadurch wird der Fuß lebendiger, vitaler und letztlich auch schöner.

Zurück zur Kartographie: Was bringt der Scan?
Er ist Teil der ganzheitlichen Betrachtung und ermöglicht eine tiefere Analyse. Das Gerät ist letztlich nicht viel anders als die Fuß-Scanner, die es in manchen Schuhgeschäften gibt. Es produziert ein Farbfoto der Fußsohle. Für mich ist das wie eine Landkarte – daher auch Fußkartographie. Manche Leute sehen auf einer Landkarte Städte und Autobahnen. Ich sehe auch kleine Sträßchen, Flüsse oder Höhenlinien. So kann ich aufgrund meiner Erfahrung immer mehr aus dem Bild herauslesen und kleine Details herausfinden, was der Schuhverkäufer nicht macht.

Wie setzt sich Ihre Klientel zusammen?
Die ist sehr heterogen, allerdings sind junge Menschen die Ausnahme. Das beginnt ab ca. 45 Jahren, nachdem die Füße mancher Belastung ausgesetzt waren und man schon einiges probiert hat. Gerade bei Damen in den Wechseljahren werden die Beschwerden ernster. Aber ich habe auch Profi-Sportler, die über die Füße ihre Leistung verbessern möchten.

In welchen Fällen können Sie nicht helfen?
Bei Schmerzen am Sprunggelenk trotz bereits erfolgter Operation. Oder bei Menschen mit operiertem Hallux valgus, die durch die Narbenbildung Beschwerden haben. Jede Bewegung führt hier zu immer weiteren Reizungen und dadurch auch zu Schmerzen. Oder beim diabetischen Fuß.

www.meinefuesse.de

Von Katja Kösztler