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Aktuelles // 24.11.2021

Die Kosmetikerin als Vermittlerin

Aufgrund ihrer Fachkompetenz kann die Kosmetikerin in Kooperation mit Dermatologen sehr gute Behandlungsergebnisse erzielen. Die Kosmetikmeisterin Elke Christine Fresemann hat für uns den renommierten Experten Prof. Dr. med. Jean Krutmann vom IUF-Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung interviewt, der u. a. Einblicke in die aktuelle Forschung gegeben und die verantwortungsvolle Tätigkeit der Kosmetikerin wertschätzend eingeordnet hat.

Herr Professor Krutmann, als wissenschaftlicher Experte rund um die Haut genießen Sie weltweit hohes Ansehen. Ihre Forschungen bilden immer wieder neue Grundlagen für die Entwicklung innovativer  kosmetischer Produkte. Was treibt Sie an, stets neue Forschungsfelder zu bearbeiten?

Wir leben in einer Zeit, in der fast täglich aufregende wissenschaftliche Entdeckungen gemacht werden, die für die Gesundheit des Menschen von unmittelbarer Bedeutung sind. Dies gilt gerade auch für die Erforschung unserer Haut und ihrer großen Bedeutung für unser Wohlbefinden. Wir wissen heute, dass die Haut so viel mehr ist als eine Barriere zur Umwelt. Unsere Haut ist ein komplexes Immunorgan, sie hat ihr eigenes Mikrobiom, und sie steht in engem Austausch mit unserem Darm und vor allem auch unserem Gehirn. Durch die Entwicklung kosmetischer Produkte ist es – im Gegensatz zum Beispiel zu Arzneimitteln – relativ einfacher und vor allem viel schneller möglich, dieses neue Wissen in der Praxis anzuwenden und die Menschen von diesem enormen Erkenntniszuwachs profitieren zu lassen. So hat es z. B. von unserer Entdeckung, dass Luftverschmutzung wesentlich zur Hautalterung beiträgt, bis zur Entwicklung erster wirksamer Produkte, um unsere Haut dagegen zu schützen, nur wenige Jahre gedauert. So etwas zu erleben, ist  für einen Forscher sehr befriedigend.

Die wissenschaftliche Seite des Themas Produktentwicklung interessiert mich in meinem Arbeitsumfeld immer sehr. Welche Forschungsprojekte leiten oder begleiten Sie zurzeit?

Ein Schwerpunkt unserer Arbeiten liegt auf der Untersuchung der Hautalterung. Hier haben wir in den letzten Jahren viel Neues gelernt über das Zusammenspiel von genetischen Faktoren mit Umweltfaktoren. Wir verstehen jetzt viel besser, warum nicht alle Menschen gleich mit ihrer Haut auf bestimmte Umweltbelastungen reagieren. Wir wissen heute auch viel besser, welche Prozesse in der Haut entscheidend verändert werden. Ein aktuelles Projekt beschäftigt sich mit der Rolle des Sauerstoffgehaltes in der alternden Haut. Hierfür hat unsere Haut bestimmte Sensoren, deren Aktivierung oder Deaktivierung viele wichtige  Hautfunktionen beeinflussen kann, z. B. die Fähigkeit zur Pigmentierung, zur Ausbildung einer Hautbarriere oder zur Reparatur von Schäden. Wir untersuchen aktuell, wie sich diese Prozesse durch kosmetische
Verfahren und eine Beeinflussung des Sauerstoffgehaltes der Haut beeinflussen lassen.

Mein Fokus in der Kosmetikbranche war und ist stets die Weiterbildung und der kritische Blick auf das, was möglich ist – oder auch nicht. Wie beurteilen Sie die Entwicklung und den heutigen Stellenwert der Kosmetikerin – besonders in der Zusammenarbeit mit Dermatologen?

Die Kosmetikerin wird immer mehr zum Dolmetscher zwischen dem Dermatologen,der das Hautorgan vor allem auch wissenschaftlich begreift, und dem Kunden, der mit der Anwendung kosmetischer Verfahren  und Produkte bestimmte Erwartungen verbindet. Dies ist keine leichte Aufgabe, denn diese Erwartungen sind manchmal unrealistisch. Andererseits wissen nicht alle Kunden, welche Möglichkeiten heute schon zur Verfügung stehen. Diese Gratwanderung zu meistern ist eine Kernaufgabe. Sie setzt in zunehmendem Maße Kompetenz voraus, die sich nicht auf praktische Kenntnisse und Fähigkeiten beschränkt, sondern die auch das Verständnis des wissenschaftlichen Hintergrundes betrifft, auf dem kosmetische Produkte beruhen. Wie überall aber muss es natürlich auch hier heißen: Schuster bleib bei deinen Leisten. Denn die  Grenzen sind erreicht, wenn es sich um erkrankte Haut handelt oder auch immer dann, wenn es um apparative Verfahren geht, deren korrekter Einsatz mit allen Folgen nur für den Fachmann – also den  Dermatologen – zu verstehen und abzusehen ist.

Allen Kosmetikerinnen ist es wichtig, Anerkennung für ihre Arbeit zu erfahren. Welchen Fokus sollten diese Ihrer Ansicht nach bei ihrer Arbeit setzen, um in der Medizin, aber auch in der Gesellschaft die  Wertschätzung zu erhalten, die ihnen zusteht?

Der Fokus sollte stets auf der praktischen Umsetzung, beginnend mit der erstklassigen Beurteilung des Hautzustandes und der sich daraus ergebenden Empfehlung und fachgerechten Anwendung der am besten geeigneten Verfahren und Produkte liegen. Wenn das gelingt, bleibt die berufliche Zufriedenheit nicht aus, denn so wird ein sehr wertvoller Beitrag zur Hautgesundheit geleistet.

Womit beschäftigt sich die Wissenschaft gegenwärtig und was bedeutet dies für die Beauty-Branche?

Ich glaube, dass wir vor einer Revolution in der Dermatokosmetik stehen. Gespeist wird diese Entwicklung aus zwei Quellen: Wir werden immer besser in der Lage sein, kosmetische Produkte und Verfahren auf  bestimmte Zielgruppen (z. B. unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher ethnischer Herkunft oder mit unterschiedlichen genetischen Eigenschaften) oder sogar Einzelpersonen zuzuschneiden. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Diversifizierung unserer Gesellschaft ist dies eine immer wichtigere Aufgabe. Außerdem verstehen wir viel besser, welche Prozesse bei der Hautalterung wirklich ursächlich und welche  nachrangig sind, welche Schichten der Haut und welche Hautzellen in diesen Schichten für bestimmte biologische Prozesse entscheidend sind und welche nicht so sehr. Wir profitieren heute sehr stark von neuesten Entwicklungen in der molekular und zellbiologischen Forschung. Hierdurch wird es möglich werden, neue Wirkstoffe zu finden, die die Wirksamkeit kosmetischer Produkte erheblich steigern können.

Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Punkte in der nahen Zukunft?

Ein Schwerpunkt der existierenden Produkte und Verfahren ist die Prävention mit dem Ziel, die Gesundheit der Haut möglichst lange zu erhalten und ein gesundes Altern zu ermöglichen. Das ist wichtig, geht aber meines Erachtens noch besser, wenn wir das Wechselspiel zwischen verschiedenen äußeren Faktoren miteinander, aber auch mit inneren Faktoren besser verstehen und berücksichtigen. Zum Beispiel wissen wir  hinsichtlich der Hautschädigung noch zu wenig über die Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen Teilen der Sonnenstrahlung, der Sonnenstrahlung mit Bestandteilen der Luftverschmutzung oder wie sich klimatische Veränderungen in diesem Zusammenhang auswirken. Dieses Wissen ist wichtig, denn wir sind oft all diesen Faktoren gleichzeitig ausgesetzt. In diesem Zusammenhang erwarte ich zukünftig auch eine vermehrte Anwendung digitaler Technologien und neuester Verfahren im Bereich der Biosensorik. Ein zweiter wichtiger Punkt ist es, durch kosmetische Produkte tatsächlich „die Uhr zurückzustellen“. Wenn wir es schaffen, gealterte Hautzellen tatsächlich zu verjüngen bzw. geschädigte Zellen zu reparieren, und ich bin davon überzeugt, dass dies bald möglich sein wird, dann sind wir einen großen Schritt weiter. Und ein dritter Punkt betrifft unsere Ernährung: Der Zusammenhang zwischen Hautgesundheit und Ernährung ist unstrittig, aber immer noch nicht ausreichend verstanden. Welche Diät sich exakt wie auf die  Hautgesundheit auswirkt, welche Rolle dabei der Darm spielt, aber auch wie das Nährstoffangebot auf der Hautoberfläche die Zusammensetzung unseres Hautmikrobioms beeinflusst und damit die Gesundheit  unserer Haut, das ist ein hoch spannendes Forschungsfeld. Auch hier sehe ich ein großes Potenzial.

Herr Professor Krutmann, danke für die Einblicke in Ihre aktuellen Forschungen und die wertschätzenden Worte für die verantwortungsvolle Arbeit der Kosmetikerinnen.

Zum Interviewpartner: Univ.-Prof. Dr. med. Jean Krutmann ist wissenschaftlicher Geschäftsführer des IUF-Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf. Dort leitet der vielfach ausgezeichnete Forscher auch die Arbeitsgruppe „Umweltinduzierte Haut- und Lungenalterung“.

Zur Autorin: Die Kosmetikmeisterin Elke Christine Fresemann ist langjährige Dozentin und Bereichsleiterin in der Erwachsenenbildung für Kosmetiker und Friseure sowie Prüferin im Prüfungsausschuss „Kosmetikmeister“ der Handwerkskammer Hamburg. Aktuell arbeitet sie als Trainingsdirector bei QMS Medicosmetics.

Von Elke Christine Fresemann