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Dermatologie & Ästhetik // 08.03.2024

Lipödem – Lösungen für ein schwerwiegendes Problem

Die symmetrischen Fettansammlungen bei einem Lipödem haben nichts mit ungesunder Ernährung zu tun. Sie lassen sich auch nicht durch Diäten vermindern. Hilfe für die Betroffenen ermöglicht ein ganzheitlicher Therapieansatz, wie Anna-Theresa Lipp, Fachärztin für Ästhetische Chirurgie, erklärt.

Lipödem – was ist das?

Das Lipödem ist eine chronische Fettverteilungsstörung, die vorwiegend bei Frauen auftritt – oft nach hormonellen Umstellungen wie Pubertät oder Schwangerschaft. Die krankhaften, symmetrischen Fettanlagerungen im Unterhautfettgewebe betreffen vorwiegend die Beine, in manchen Fällen auch die Arme. Hände und Füße sind dagegen unbeeinträchtigt. Das Lipödem äußert sich nicht nur optisch: Zu den sichtbaren Fettvermehrungen kommen Beschwerden wie Schmerzen oder Spannungs- bzw. Druckgefühl der betroffenen Körperstellen hinzu. Charakteristisch ist, dass sich die erkrankten Fettzellen nicht durch Sport oder Ernährungsmaßnahmen beeinflussen lassen. Derzeit ist die Ursache des Lipödems noch ungeklärt.

Mögliche Ursachen des Lipödems

Es gibt aktuell verschiedene Hypothesen zur Entstehung des Lipödems:

> Vermutet wird eine genetische Veranlagung. Häufig lässt sich eine familiäre Belastung beobachten. Hierbei geht man von einem autosomal-dominanten Erbgang mit unvollständiger Penetranz aus (das Merkmal ist nicht in jedem Fall ausgeprägt).

> Nachdem das Lipödem meist in Phasen hormoneller Umstellung auftritt oder sich verschlechtert, wird ein Zusammenhang mit Östrogen angenommen. Man vermutet eine Störung im Verteilungsmuster bestimmter Östrogenrezeptoren im betroffenen Fettgewebe.

> Außerdem wird eine mikrovaskuläre Dysfunktion in den Lymph- und Blutkapillaren diskutiert. Fehlt die Transportfähigkeit der Lymphgefäße, verhindert das den Abtransport von lipid- und eiweißreichen Substanzen und führt zu einem Stau. In der Folge können immer weniger Fettzellen abtransportiert werden.

> Die Gefäße sind beim Lipödem durchlässig und brüchig, weshalb Flüssigkeit ins Binde- und Stützgewebe gelangt. Diese Kapillarschäden an den Blutgefäßen sind vermutlich die Ursache für die erhöhte Hämatomneigung.

Lipödem – die Symptome

Aufgrund der symmetrisch auftretenden Ausdehnung des subkutanen Fettgewebes kommt es beim Lipödem zu chronischen Schmerzen, Schwellungen und anderen Beschwerden. Das Lipödem zeichnet sich durch Druckempfindlichkeit sowie ein Spannungsgefühl aus.

Im Tagesverlauf nehmen diese Symptome oft zu und sind abends am schlimmsten. Die Beine fühlen sich dann müde, schwer und kraftlos an. Auch eine erhöhte Hämatomneigung wird oft beobachtet. Hinzu kommt, dass sich betroffene Stellen sehr häufig kälter anfühlen als nicht vom Lipödem betroffene Stellen.

Oft sind neben den Beinen auch die Arme betroffen. Folglich besteht eine Disproportion zwischen Extremitäten und Stamm. Die Beine (und ggf. auch die Arme) wirken bei Betroffenen nahezu konturlos und säulenhaft. Kennzeichnend für ein Lipödem ist zudem, dass das Fettgewebe sich weder durch Sport noch durch Diäten reduzieren lässt.

Lipödem – die verschiedenen Stadien

Stadium 1 ist gekennzeichnet durch eine glatte Hautoberfläche mit gleichmäßig verdickter, homogen imponierender Subkutis (Unterhaut).

Stadium 2 weist eine unebene, überwiegend wellenartige Hautoberfläche sowie knotenartige Strukturen im verdickten Subkutanbereich auf.

Stadium 3 zeigt eine ausgeprägte Vermehrung des Umfangs mit überhängenden Gewebeanteilen (Wammenbildung) an Armen und Beinen.

Relevant sind die Stadien 1 bis 3 des Lipödems (Abb. stock.adobe.com/natbasil)

Welche Partien sind betroffen?

Medizinisch kann das Lipödem in mehrere Stadien eingeteilt werden (siehe Abbildung). Die Symptome sowie der Leidensdruck müssen hierbei jedoch nicht mit dem jeweiligen Stadium korrelieren. So können Patientinnen im Stadium I bereits stark beeinträchtigt sein, während Patientinnen im Stadium III (selten) nur geringe Beschwerden haben können. Zudem lässt sich das Lipödem in verschiedene Typen unterteilen. Hierbei gibt der Typ an, welche Extremitäten (-anteile) vom Lipödem betroffen sind.

> Typ 1: Hüfte und Gesäß sind vom Lipödem betroffen (sogenannte „Reiterhosen“)

> Typ 2: Hüfte, Oberschenkel und Knie sind vom Lipödem betroffen

> Typ 3: Das gesamte Bein von der Hüfte bis zum Sprunggelenk ist vom Lipödem betroffen

> Typ 4: Sowohl Beine als auch die Arme sind vom Lipödem betroffen.

Das Lipödem behandeln

Die Behandlung des Lipödems verfolgt das Ziel, die Beschwerden und den Befund zu bessern oder zu beseitigen. Außerdem sollen Komplikationen wie z. B. die Entwicklung eines sekundären Lymphödems oder von orthopädischen Fehlstellungen bei fortgeschrittenen Befunden verhindert werden. Nach aktuellem Forschungsstand ist das Lipödem zwar nicht heilbar, es lässt sich aber auf zwei Arten mit sehr guten Ergebnissen behandeln: konservativ oder chirurgisch (durch operatives Entfernen des Fetts).

Erste Option zur Behandlung des Lipödems ist die konservative Therapie. Sie eignet sich vor allem dazu, Beschwerden zu lindern und mehr Lebensqualität zu schaffen. Es empfiehlt sich grundsätzlich immer, das Lipödem zunächst konservativ zu behandeln. Die Therapie soll den Lymphfluss anregen und erhalten. Zudem ist es sinnvoll, möglicherweise vorhandenes Übergewicht oder eine Adipositas zu bekämpfen.

Die konventionelle Therapie

Manuelle Lymphdrainage – Eine manuelle Lymphdrainage kann Wassereinlagerungen verringern, die aufgrund einer Lymphabflussstörung entstehen. Eine sanfte Massage der betroffenen Areale aktiviert die Lymphgefäße, was den Abtransport von Gewebsflüssigkeit anregt. Die manuelle Lymphdrainage aktiviert die Lymphgefäße und wirkt entstauend.

Kompressionstherapie – Zusätzlich zur Lymphdrainage sollte eine passgenaue Kompressionskleidung angefertigt werden. Dies muss eine Flachstrick-Kompression nach Maß (am besten Klasse II) sein. Auch diese Maßnahme fördert den Abtransport von Gewebsflüssigkeit und die Funktion der Lymphklappen. Für eine effektive Wirkung sollten die Strümpfe acht bis zwölf Stunden lang am Tag getragen werden.

Bewegung und Sport – Gelenkschonende Sportarten sowie Bewegung im Wasser sind für Lipödem-Patientinnen sehr gut geeignet. Grund dafür ist der höhere Druck des Wassers. Auch erhalten wir viele positive Erfahrungsberichte für spezifisches EMS-Training, das neben der Anregung des Stoffwechsels und des Lymphabflusses auch zu einer Hautstraffung beitragen kann.

Ernährung – Anders als bei Adipositas wird das Lipödem nicht durch schlechte und kalorienreiche Ernährung ausgelöst. Eine gesunde Ernährung trägt dennoch zur allgemeinen Gesundheit und zum mentalen Wohlbefinden der Betroffenen bei. Wichtig ist eine dauerhaft durchführbare, kalorienreduzierte Ernährung. Eine spezielle „Lipödem-Kost“ gibt es bis dato nicht. Welche Ernährungsform hierbei für die Betroffenen geeignet ist, ist ganz individuell.

Liposuktion – das Fett chirurgisch entfernen

Wurden die konservativen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft, ohne eine ausreichende Beschwerde- bzw. Befundbesserung zu erzielen, wird in einem Erstgespräch, z. B. in unserer Praxis Pantea, ein individueller Behandlungsplan für die operative Therapie des Lipödems erstellt. Bei der Liposuktion wird das krankhafte Fett, das im Rahmen der Erkrankung entsteht, operativ entfernt. Die Operation ist eine gute Option, um die Schmerzen zu beseitigen und die Form zu verändern, wenn die konservative Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringt.

Dabei geht es bei einer Liposuktion nicht um das bloße „Modellieren“ des Körpers, sondern um ein möglichst vollständiges Entfernen aller in einem Areal befindlichen erkrankten Fettzellen – mit dem Ziel, die Beschwerden zu lindern oder sogar der Beschwerdefreiheit. Da die Ursachen des Lipödems derzeit noch nicht zu 100 Prozent bekannt sind, ist die Liposuktion keine Maßnahme, die Heilung bringt. Aber: sie reduziert Lebensbehandlungskosten und -zeiten des Lipödems und die damit verbundenen physischen und psychischen Belastungen. Oft lassen sich Beine und Arme weitestgehend „normalisieren“, der Eingriff verbessert die Beschwerden deutlich, das Risiko für weitere orthopädische Komplikationen reduziert sich stark. Die Lebensqualität der Betroffenen bessert sich enorm.

Von Dr. Anna-Theresa Lipp (www.pantea-health.de)